Mehrere Jahrzehnte brauchte Anke Wolff, um ihren sehr persönlichen Roman „Brombeerzeit“ zu schreiben. Am gestrigen Mittwochnachmittag, dem 30. November 2022, präsentierte sie das Buch im gut besuchten Wintergarten des Restaurants „Burg-Klause“ in Burg auf Fehmarn.
Das nahe Zusammensein von Glück und Schmerz
„Die Brombeeren stehen als Bild für das nahe Zusammensein von Glück und Schmerz. Diese Beeren erhält man nur im Austausch mit Kratzern und zerrissener Kleidung“, heißt es in einem Grußwort des Verlegers Dr. Oliver Ihle, vorgetragen von Dr. Eberhard Gerber. „Anke Wolff schildert in ihrem Roman eine Rückkehr in die alte Heimat. Die Freude über das Wiedersehen mit alten Bekannten und engen Verwandten vermischt sich dabei aber immer wieder mit schlimmen Erinnerungen. Denn Ann-Grit Reinmar hat hier ihre älteste Tochter verloren.“
„Das ist echte Literatur“
„Es mag seltsam erscheinen, wenn ich dennoch über diesen Roman sage: Er ist heiter und optimistisch“, verleiht Dr. Oliver Ihle seinen Worten Ausdruck. „Denn Anke Wolff versteht es, ein so schwieriges Thema mit all den verbundenen komplexen Aspekten zu schildern und dennoch das Gefühl eines sommerlichen Urlaubstages zu erzeugen. Mit wohlwollendem Witz, in einfühlsamer Beobachtungsgabe und Herzlichkeit ist auch ihr neues Buch gehalten, das aber die Ernsthaftigkeit des Themas nie in Frage stellt. Diese Erzählung hallt lange im Gedächtnis nach. Das ist echte Literatur.“
Anke Wolff ist Fehmarn stets treu geblieben
„Wir kennen uns seit vielen Jahren, in denen du Höhen und Tiefen wie selten ein Mensch durchlaufen hast“, wandte sich Dr. Gerber anschließend noch in eigenen Worten an Anke Wolff. „Du bist echte Fehmaranerin, auf Fehmarn geboren, beruflich und privat der Insel stets treu geblieben. Du bist Journalistin und erfolgreiche Autorin vieler Bücher. Darunter Kinder- und Jugendbücher ebenso wie Kolumnen, Erzählungen und Kurzgeschichten, die du stets mit großem Einfühlungsvermögen geschrieben hast.“
Bereits als Schülerin hat sie begonnen, zu schreiben
„Bereits als Schülerin hast du begonnen, zu schreiben. 1963 erfolgte die Heirat mit Henning Wolff vom ,Fehmarnschen Tageblatt‘ (FT), der dich unterstützte und mit großer Anerkennung von dir und deinen schriftstellerischen Fähigeiten sprach. Dann ging es unaufhaltsam vorwärts“, blickte der Laudator zurück. „Vierzig Bücher sind erschienen, hauptberuflich bist du als Redaktionsmitglied dem FT verbunden.“
Ein Denkmal für ihre älteste Tochter
„Doch nun zu deinem Buch ,Brombeerzeit‘ in dem du deiner ältesten Tochter ein Denkmal setzt“, schlug Eberhard Gerber den Bogen. „Geschickt hast du dein Buch nicht in der Ich-Form geschrieben, sondern deine Person in die Gestalt von Ann-Grit Reinmar integriert. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Bruder Thies Mackenroth mit seiner Frau Hanne“, gewährte er Einblick in den Roman. „Der Schmerz um den Verlust ihrer Tochter Sylvie ließ Ann-Grit mit ihrer Familie die Flucht von der Insel ergreifen. Erst nach Jahren kehrt sie zurück, um das Geschehene endlich zu verarbeiten. Neben dem Schmerz der verlorenen Tochter beschreibt Anke Wolff viel über Tages- und Jahreszeiten, Natur und Tierliebe, Personen, Heimatliebe und Feiern auf dem Bauernhof.“
„Wen die Götter lieben, den lassen sie früh sterben“
„Es ist ein Roman, den man nicht in einem Stück, sondern in Etappen und mit Pausen lesen sollte“, empfahl Dr. Gerber, „weil viele Dinge dort angesprochen werden, zum Beispiel der Glaube, ,wen die Götter lieben, den lassen sie früh sterben‘. Und du suchst mit den Jahren mehr und mehr nach der Bedeutung der kleinen Dinge, weil sie das große Ganze bilden. Oder: Auf Schmerz und Trauer folgt die Sehnsucht.“
Mehrere Jahrzehnte schrieb die Autorin an dem Roman
„Mehrere Jahrzehnte brauchte Anke Wolff, um diesen sehr persönlicher Roman zu schreiben“, wusste Dr. Eberhrd Gerber. „,Wunden vernarben‘, heißt es darin, ,auch wenn die Zeichen bleiben‘. Anke Wolff arbeitet in diesem Roman die traurigen und ergreifenden Geschehnisse ihres Lebens auf, aber auch Fröhliches ist dabei. Ihr ist das Kunststück gelungen, ein schweres, tieftrauriges Thema in einen sommerlichen Roman zu fassen“, schloss er sich den Worten des Verlegers an. „Mit der Kraft des wirklich Erlebten in einfühlsamer Sprache und einem untrüglichen Gespür für die Wahrheit hinter dem Gefühl freuen wir uns darauf, dich auf den Stationen deines Lebens in der ,Brombeerzeit‘ begleiten zu dürfen“, wandte er sich an Anke Wolff.
„Manches Schwere lässt sich ins Wort erlösen“
Geschrieben habe sie das Werk „unter Einfluss von viel Gefühl, das gezügelt werden musste“, gesteht die Autorin sich und dem Publikum ein. „Es geht ja um ein ernstes Thema, das ich nach langer Zeit der Aufarbeitung in einem Roman freigelassen habe. Das schafft man, wenn die Zeit die Gefühlswogen geglättet hat und sich manches Schwere ins Wort erlösen lässt“, räumt Anke Wolff ein.
Ein auch streckenweise sommerleichter Roman
So sei ihr mit „Brombeerzeit“ auch ein „streckenweise sommerleichter Roman gelungen“, fährt die Autorin fort, „in dem sich manches widerspiegelt, was Ihnen vertraut erscheinen mag.“ Bewusst habe sie für diese Lesung erheiternde Passagen ausgewählt, wenn auch tiefe Nachdenklichkeit und Trauer dem Buch zugrunde liegen. „Das Leben zeigt sich unerbittlich – lebenswert, resümiert mein Verleger Dr. Oliver Ihle. Und so mag es sein.“
Über Jimi Hendrix und ein „Bett im Kornfeld“
Anke Wolff schreibt aber auch übers Fehmarn Open Air und Jimi Hendrix. Die Autorin lässt Jürgen Drews‘ „Bett im Kornfeld“ ebenso wenig aus – „wäre das heute überhaupt ein Vergnügen? Bei Allergien, auf ungemütlichen Stoppeln und mit Drohnen in der Luft?“ – wie den plattdeutschen Dorfklatsch. Und auch, ob Gustl als alter Seemann wirklich so einen guten Blick für weibliche List und lüsterne Liebe hat, kommt zur Sprache.
Ob man den Vollmond vom Himmel pflücken kann?
Doch ob man zur „Brombeerzeit“ im Sommer am Leuchtturm wirklich „den Vollmond vom Himmel pflücken und Vergangenes ins Meer schreiten lassen kann?“ Das muss wohl jede/r Leser/in für sich selbst entscheiden.