„Wir wollen sofort aufs Gelände morgen früh, das ist das Geilste überhaupt, so früh da zu sein. Damit man auch was davon hat. Wir sind jetzt beide Rentner und haben die Möglichkeit, nun schon anzureisen, deshalb sind wir so früh da. Sonst haben wir immer nachts hier schon gestanden.“

Vor den Bullis wird gegrillt und gechillt
Aus Wattenscheid sind Angela Feller und Hermann Hülder bereits am gestrigen Mittwoch, dem 22. Juni 2022, zum 8. Midsummer Bulli Festival, das offiziell erst am heutigen Donnerstag, dem 23. Juni 2022, in Burgtiefe auf Fehmarn beginnt, angereist. So wie viele Andere – die Parkplätze am Südstand sind voll, die Sonne scheint, vor den Bullis wird gegrillt und gechillt.

Mit dem Bulli über 300.000 Kilometer quer durch Europa
Der orangene Bulli von Hermann und Angela – hier sind alle sofort per Du – ist 43 Jahre alt – von Januar 1979. „Den hat sich zunächst ein Arzt zur Pensionierung gekauft und ist damit durch Europa gefahren“, weiß Hermann. „Und genau das Gleiche machen wir auch.“ In zahlreichen europäischen Ländern sind sie gewesen. „Das ist der Euro-Bulli, mit dem fahren wir also jetzt seit Ende 1999 durch Europa, vom Nordkap bis Gibraltar.“ Gekauft haben sie den Bulli mit 92.000 Kilometern auf demTacho – heute haben sie den 393.000 Kilometer zurückgelegt.

Ausflug durch Schleswig-Holstein
Wenn man hinten auf das linke Seitenfenster guckt, dann sieht man die ganzen Aufkleber der Länder-Kennzeichen. Eigentlich sollte mit denen nur ein hässlicher Schrank versteckt werden, verrät Angela schmunzelnd. 450 Kilometer sind sie heute aus dem Ruhrpott angereist, „das haben wir mit einem kleinen Ausflug durch Schleswig-Holstein verbunden. In Niedersachsen haben wir noch einen Freund besucht, der ebenfalls einen Bulli fährt. Dann waren wir in Verden und im sogenannten Büttenwarder, lacht Hermann – und nun sind wir hier.“

„Wir haben so viele geile Sachen erlebt“
„Wir haben so viele geile Sachen erlebt“, zeigt Angela sich dankbar. „Wir haben wunderbare, nette, freundliche Menschen kennengelernt. Egal, wo. In der Ukraine waren wir auch. Das bewegt uns natürlich jetzt sehr.“ Manche kostbare Erinnerung ist entstanden. Berührende Begegnungen mit Menschen, die sich tief ins Gedächnis geprägt haben, bleiben unvergessen.

Auf dem Weg nach Odessa
Auf dem Weg nach Odessa haben sie mit einem Polizisten Beatles-Lieder gesungen. „Das rührt uns alles sehr, wenn wir überlegen, wo wir waren. Und das macht ja das Bulli fahren auch aus, das werden auch alle spüren, die hier auf dem Platz sind, dass das einfach ein ganz geiles Gefühl ist. Das riecht nach Freiheit, das riecht nach Freundlichkeit – und ist einfach schön“, zeigt sich Angela überzeugt.

Kostbare Erinnerungen und berührende Begegnungen
„Ein Erlebnis in der Republik Kosovo, das war anrührend“, zeigt sich Hermann noch immer beeindruckt. „Wir versuchen immer in erster Linie, uns diese Länder-Kennzeichen in dem Land zu besorgen, in dem wir gerade sind. Der Aufkleber war an keiner Tankstelle zu bekommen. Da haben wir einen Jungen kennengelernt, der über Videocassetten Deutsch und Englisch gelernt hat. Sein Vater, der im Krieg im Kosovo gestorben ist, hatte ihm die hinterlassen. Und dieser Junge konnte jetzt Deutsch mit uns reden und hat versucht, uns zu helfen, dass wir an unseren Aufkleber kommen. Schließlich hat er Landsleute überredet, einen solchen Aufkleber mit dem Föhn bei sich abzumachen und uns zu geben. Der hat jetzt einen Ehrenplatz.“ „Das sind ja teilweise furchtbare Geschichten“, ergänzt Angela, „aber das rührt ja doch was an in den Menschen.“
Vor sechs Jahren wurde Deutschland umrundet

Vor genau sechs Jahren haben sie Deutschland umrundet, sind immer auf der Grenze entlang gefahren. „Wir sind im Saarland gestartet und haben dort auch wieder aufgehört“, erzählt Angela. „Da sind wir vom Saarländischen Rundfunk empfangen worden, die sind mit uns noch mal einen halben Tag durchs Saarland gefahren“, blickt sie zurück. Auch in Schengen sind sie gewesen, das zum Synonym für einen Raum ohne Grenzkontrollen wurde.“Da waren wir richtig gerührt.“ Sogar auf dem Pilgerweg haben sie mit dem Bulli eine Strecke zurückgelegt.

„Ein Bulli ist natürlich auch ein Opener für alles“
„Ein Bulli ist natürlich auch ein Opener für alles“, sagt Angela, „man kommt sofort miteinander ins Gespräch. Wenn wir auf einem Parkplatz stehen, vorm Supermarkt, egal wo, dann stehen die Leute hier vor dem Bulli und schauen sich die Länder-Kennzeichen an“, weiß sie aus Erfahrung.
„Letztendlich sind wir ja auch Hippies“

„Bulli fahren bedeutet, miteinander zu sein, dass man sich versteht, man sich hilft. Das macht so ein Fahrzeug aus, weil es eigentlich auch einen Lebensabschnitt bezeichnet. Man denkt, wir sind Hippies, wir sind cool, wir kiffen (tun wir nicht). Das verbindet man damit – und letztendlich sind wir ja auch Hippies“, sagen Hermann und Angela.