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Wolfgang Niedecken und Mike Herting begeisterten in Burg auf Fehmarn

„Songs sind die Träume, die man wahr zu machen versucht“

Auf den gelungenen Abend stießen Pianist Mike Herting, Fehmarns Bürgermeister Jörg Weber und Wolfgang Niedecken (v.l.n.r.) an. / FOTO: HILKE HAHN-WOLFF
Fehmarn. Im Burger Senator-Thomsen-Haus gab es nach ihrem Auftritt Standing Ovations für die Musiker Wolfgang Niedecken und Mike Herting.

Teilweise gerührte, verklärte Gesichter. Einigen Besucher/innen merkte man doch an, dass sie weit, weit weg in Erinnerungen schwelgten. In Zusammenarbeit mit der Thomsen-Schumacher-Stiftung konnte die Stadt Fehmarn am gestrigen Sonntagabend, dem 25. September 2022, zu einem besonderen Event laden: Im Burger Senator-Thomsen-Haus gab es nach ihrem Auftritt Standing Ovations für Wolfgang Niedecken und Jazz-Pianist Mike Herting. Im Anschluss folgte eine „Plauderstunde“, die Bürgermeister Jörg Weber mit den Musikern gestaltete.

„Wolfgang Niedecken liest & singt Bob Dylan“

Mit Teilen aus ihrem kurzweiligen Storyteller-Programm „Wolfgang Niedecken liest & singt Bob Dylan“, bei dem sowohl Dylan-, als auch BAP-Fans auf ihre Kosten kommen, begeisterten die beiden Künstler das Publikum. Mike Herting gelang es immer wieder, mit seinem virtuosen Spiel besondere Momente zu schaffen und damit die Aussagen, Anekdoten und den Gesang Nieckens meisterhaft zu unterstreichen. Übrigens: Die kölsche Rockband BAP geht diesen Herbst auf Tour, am 18. November 2022 findet das Abschlusskonzert in Kiel statt. https://www.bap.de

Kreuz und quer durch die USA

2017 brach Wolfgang Niedecken im Auftrag des TV Senders ARTE auf zu einer Reise „auf den Spuren von Bob Dylan“, die ihn kreuz und quer durch die USA führte. „Das war ein unglaubliches Erlebnis“, blickt er zurück. „Das war so großartig, wir haben in Washington angefangen, dann ging es nach New York und Woodstock, hoch an die Großen Seen und runter nach New Orleans, nach San Francisco, LA und San Diego. Es war sehr anstrengend, aber ganz großartig, Leute zu treffen, mit denen er zusammengearbeitet hat, und an die Original-Schauplätze zu kommen.“

2017 unternahm Wolfgang Niedecken eine Reise „auf den Spuren von Bob Dylan“, die ihn kreuz und quer durch die USA führte. / FOTO: HILKE HAHN-WOLFF

Querverbindungen zu seiner eigenen Biographie

Er sprach mit ehemaligen Weggefährten Dylans, Fotografen, Journalisten und Musikern. Sein Buch „Wolfgang Niedecken über Bob Dylan“ handelt von dieser Reise und enthält sowohl Querverbindungen zu seiner eigenen Biographie als auch Berührungspunkte mit der Geschichte der Band BAP. Vor allen Dingen aber erzählt Niedecken von dem großen Einfluss, den Bob Dylan auf sein eigenes Werk als Songwriter hatte und weiterhin hat.

Niedecken und Herting kennen sich über 45 Jahre

Mike Herting und Wolfgang Niedecken kennen sich seit über 45 Jahren. / FOTO: HILKE HAHN-WOLFF

Wolfgang Niedecken und Mike Herting kennen sich bereits seit über 45 Jahren: „Er war damals der Pianist, der Keyboarder in den angesagten Jazz-Rock-Bands in Köln. Und ich war Maler. Und hatte ‘ne Band, aber das sollte ja nicht groß werden. BAP hat sich nicht gegründet mit irgendeinem Karriereplan, wir hatten uns am Anfang Mühe gegeben, einmal in der Woche einen Kasten Bier leer zu proben. Mike war immer sehr interessiert, sehr offen, open minded. Wenn ich jemanden brauchte für etwas ganz Spezielles, habe ich immer Mike angerufen: Hast du Lust, das zu machen?“ Immer wieder haben die beiden Musiker zusammen gewirkt – so auch dieses Programm gemeinsam erarbeitet.

„Englisch und Kölsch ergänzen sich gut“

„Mein allererstes kölsches Lied hab‘ ich tatsächlich 1976 zum 93. Geburtstag unserer Lieblings-Oma geschrieben“, so Wolfgang Niedecken. „Ich darf englisch singen und kölsch – und bei manchen Songs merkt das Publikum gar nicht, ob ich vom Englischen ins Kölsche übergehe oder umgekehrt. Das sind ja die beiden Weltsprachen, die ergänzen sich sehr gut.“

Wolfgang Niedecken trinkt am liebsten Riesling, ist „Im Auftrag des Herrn unterwegs“ und spielt eine Gibson Hummingbird. / FOTO: HILKE HAHN-WOLFF

Mit der Gibson „im Auftrag des Herrn unterwegs“

Wolfgang Niedecken trinkt am liebsten Riesling, ist „Im Auftrag des Herrn unterwegs“ und spielt eine Gibson Hummingbird. Doch sein „Herr“ ist nicht der von Jake und Elwood, sondern Bob Dylan. Niedecken nimmt das Publikum mit auf seine ganz persönliche Reise, dorthin, wo seine Geschichten sich mit Bob Dylan berühren: Von frühester Jugend an.

Ein Bass aus dem Quelle-Katalog

Die Kindheit war abgeschlossen, die Beatles hatten sein Leben in eine komplett andere Richtung gelenkt – und Wolfgang Niedecken war in einem katholischen Internat in der Voreifel gelandet. „Ich hatte meine ersten zarten Erfahrungen mit Mädels und spielte Bassgitarre in einer Beatband. Auf einem namenlosen Bass aus dem Quelle-Katalog, der mit rotem Kunstleder bezogen war. Das verwegenste Getränk hieß Coca Cola und irgendjemand fragte mich, was ich eigentlich von Bob Dylan hielte“, blickte der Musiker zurück. Und erinnerte sich an seine damalige Antwort: „Kenn ich nicht.“ Nun, das änderte sich bekanntlich.

Mike Herting und Wolfgang Niedecken zogen alle Register ihres großartigen Könnens. / FOTO: HILKE HAHN-WOLFF

Phantastische Interpretationen

Als er gemeinsam mit Mike Herting das Programm gestaltete, meinte Wolfgang Niedecken: „Ohne Geige wird das wahrscheinlich problematisch“, blickte er zurück: „Mike antwortete, das kriegen wir schon hin.“ Und sie bekamen es wunderbar hin: Von „The Times They Are A-Changin‘“, über „Für immer jung“ („Forever Young“) und „Blowin‘ in the Wind“ bis „Knockin‘ on Heaven’s Door“ spielten Niedecken und Herting gemeinsam, virtuos, harmonisch ineinander greifend, einer vom Anderen die Melodie übernehmend und weiterführend, hin zu phantastischen Interpretationen.

Übergabe einer Lap-Steel-Gitarre an Bob Dylan

Auch die Geschichte, wie er Bob Dylan eine Lap-Steel-Gitarre übergeben durfte, hatte Wolfgang Niedecken im Programm. „An das, was er gesagt hat, kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Ich weiß nur noch, wie fasziniert er das Instrument aus dem Koffer geholt und von allen Seiten gecheckt hat. Wie ein kleiner Junge, der eine neue Lok für seine Modelleisenbahn unter dem Weihnachtsbaum findet. Ein rührender Moment, den ich auf keinen Fall mit irgendeiner überflüssigen Frage ruinieren wollte. Auch nicht mit einem Satz, den er vermutlich schon Millionen Male gehört hat. Klar, ich würde ihn gerne wissen lassen, dass er mein Leben entscheidend geprägt hat und mich dafür bei ihm bedanken. Aber ich hätte diesen fragilen Moment ruiniert. Und das war es mir einfach nicht wert.“

Wolfgang Niedecken: "Ein BAP-Song wurde inspiriert aus Bob Dylans Biographie." / FOTO: HILKE HAHN-WOLFF

„Man kann überall Songs schreiben“

„Ein BAP-Song wurde inspiriert von diesen Zeilen aus Bob Dylans Biographie ,Chronicles‘“, erzählt Wolfgang Niedecken: „Songs sind die Träume, die man wahr zu machen versucht. Sie sind wie fremde Länder, die man bereist. Man kann überall Songs schreiben. Im Zug, in einem Boot, beim Reiten. Bewegung ist halt hilfreich. Manchmal schreiben Leute mit dem größten Talent zum Songwriting keinen einzigen Song. Weil sie sich nicht bewegen.“

Miteinander im Gespräch: Stellvertretender Bürgermeister Heinz Jürgen Fendt, Bürgervorsteherin Marianne Unger, Bürgermeister Jörg Weber und Wolfgang Niedecken (v.l.n.r.). / FOTO: HILKE HAHN-WOLFF

Herting hatte die Lacher auf seiner Seite

Bewegung kam auch ins Publikum bei immer wieder lang anhaltendem Applaus und Standing Ovations, bevor Fehmarns Bürgermeister Jörg Weber die Gesprächsrunde eröffnete. Mike Herting war die Insel bereits bekannt: „Ich war schon vor vielen Jahren mit meinem Onkel und seinen beiden Söhnen auf Fehmarn. Er hatte sich ein Motorboot gekauft – und dann sind wir solange geradeaus gefahren, bis das Benzin alle war und die Rettung kommen musste“, verriet der Pianist und hatte die Lacher auf seiner Seite. „Das war mein erster Eindruck von Fehmarn, aber es gefält mir wirklich gut hier.“

Niedecken war immer großer Hendrix-Fan

Wolfgang Niedecken: "Ich war immer großer Hendrix-Fan." / Foto: Privat / Tina Niedecken

Wolfgang Niedecken kennt Fehmarn vor allem, „weil ich immer großer Jimi Hendrix-Fan war. Ich kann mich noch an den Tag erinnern, als Jimi Hendrix gestorben ist. Hier war sein letzter Auftritt auf dem vollkommen missglückten Festival. Ich war gerade auf dem Weg zu einem Konzert der Rolling Stones. Das hat sich alles so vermischt in mir, diese ganzen Eindrücke: Jimi Hendrix ist tot, ich sehe die Stones – und ich wollte immer schon mal nach Fehmarn, um zu gucken, wo dieses Festival war.“

Auf zum Gedenkstein am Flügger Strand

"Tonzauberer" Achim Schnall, Wolfgang Niedecken und Mike Herting am Jimi Hendrix-Gedenkstein (v.l.n.r.). / Foto: Privat / Tina Niedecken

Vor ihrem Auftritt machten sich die Musiker gemeinsam mit ihrem „Tonzauberer“ Achim Schnall auf zum Gedenkstein am Flügger Strand: „Heute sind wir dann tatsächlich dahin und haben viel Spaß gehabt. Das war sehr schön“, zeigte sich Wolfgang Niedecken erfreut. „Wie es auch auf dieser Dylan-Reise war: Wenn man an die Originalschauplätze kommt, das hat was. So etwas nimmt man als Künstler auf. Das ist so ungefiltert, man lässt die Phantasie frei laufen und das ist gut. Heute kann ich sagen, ich war auf  Fehmarn. Da, wo Jimi Hendrix seinen letzten Gig gehabt hat. Das ist doch was.“

Bereit für den Auftritt. / FOTO: HILKE HAHN-WOLFF

„Köln ist ein wunderbar gemütliches Millionendorf“

Köln in nur einem Satz zu beschreiben, wie von Bürgermeister Weber vorgeschlagen, fällt ihm jedoch schwer: „Köln ist ein wunderbar gemütliches Millionendorf. Köln hat keine großartigen Ambitionen, Weltstadt zu sein, ich empfinde Köln immer als sehr bescheiden. Außer in der Karnevalszeit, wenn die Kölner zu einer Art Größenwahnsinn neigen. Und dann versuche ich auch möglichst schnell, immer aus Köln rauszukommen, aber es gelingt mir nicht mehr, seit ich eine bayrische Frau habe, die Karneval sensationell findet“, schmunzelt Niedecken. „Ich fahre denn meine Töchter und meine Frau immer dahin, wo sie gerade Spaß haben wollen, darf dann zuhause bleiben und  den Chauffeur machen.“

Nach der Veranstaltung gab es eine Signierstunde, die gerne genutzt wurde. / FOTO: HILKE HAHN-WOLFF

Stellungnahmen zum Krieg in der Ukraine

Auch zum Krieg in der Ukraine bezogen die beiden Musiker deutlich Stellung: „Was passiert, erinnert mich an meine Jugend, mit der Angst, dass der Atomkrieg sofort ausbricht“, fasste Mike Herting zusammen. „Es scheint mir, dass diese Zeit jetzt wieder nahe ist, dass es außer Kontrolle zu geraten droht. Ich hoffe, dass wir möglichst bald ein Ende des Krieges und dieser Bedrohung sehen werden.“

„Ich hoffe, dass wir alle die Nerven behalten“

„Ich  hoffe, dass wir alle die Nerven behalten“, äußerte Wolfgang Niedecken. „Deswegen bin ich auch sehr dankbar dafür, dass wir wirklich eine sehr verantwortungsvolle Regierung haben, die sich nicht von den Heißmachern vorschieben lässt. Das ist alles sehr behutsam, denn man muss sich die Konsequenzen überlegen. Das ist wie ein riesiges Schachspiel“, so Niedecken. „Das kommt immer auf den nächsten Move vom Gegner an und darauf, was dann zu tun ist. Es steht zuviel auf dem Spiel.“

„Es steht zuviel auf dem Spiel“

„Wenn ich mir jetzt die Kinder vorstelle, die das alles mitbekommen, welche Angst die haben – und welche Verantwortung auch bei uns liegt, die Nerven zu behalten, nicht kurz für einen großen Applaus den dicken Heinrich zu machen, das muss alles ganz, ganz behutsam austariert werden“, mahnte Wolfgang Niedecken eindringlich. „Und wir müssen auch nicht alles wisssen. Hauptsache ist, dass dieses Arschloch diesen Krieg nicht gewinnt. Das ist das Wichtige.“

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